SV Darmstadt 98 – Kleine Zahlenkunde zur Lilien-Saison

Die aktuelle Tabelle der 3. Liga liest sich für alle Fans, die es mit dem altehrwürdigen SV Darmstadt 98 halten, ernüchternd. Die Lilien rangieren mit kümmerlichen 16 Punkten aus 21 Partien ganz am Ende. Damit stellt der SV 98 derzeit das schlechteste Profiteam der Republik. Der Rückstand auf das rettende Ufer beträgt vor der zweiten Saisonhälfte sechs Punkte, immerhin haben die Lilien aber noch zwei Nachholspiele in der Hinterhand. Ab morgen rollt für die 98er wieder der Ball, der Gegner ist Wacker Burghausen. Was bisher war, und was besser werden muss, zeigt eine kleine Zahlenkunde zur Lilien-Saison:

1 … Keeper Jan Zimmermann Zwar war der Lilien-Kapitän in der Hinrunde auch nicht frei von Fehlern, doch ohne den ehemaligen Eintracht-Torwart stünden die Lilien mit noch weniger Punkten da. So hielt er beispielsweise beim für alle Lilien-Fans wichtigen 1:0-Sieg gegen Dauerrivale Offenbacher Kickers seine Bude sauber, als der Gegner immer mehr auf den Ausgleich drängte. Nicht von ungefähr weist der „kicker“ den 27-jährigen als notenbesten Darmstädter aus. Ex-Bundesligaprofi Dimo Wache, seit kurzem neuer Torwarttrainer bei den Lilien, hält große Stücke auf Zimmermann und zählt ihn zu den besten Torleuten der Liga. Für die Aufholjagd der Blau-Weißen wird es unerlässlich sein, dass der Keeper seine Form in 2013 bestätigt.

3 … Trainer Nach Kosta Runjaic und Jürgen Seeberger heuerte mit Dirk Schuster zwischen den Jahren bereits der dritte 98er-Chefcoach in dieser Saison an. Der 2011er Aufstiegsheld Runjaic ging Anfang September verlustig, als ihn die Duisburger Zebras abwarben. Bei Nachfolger Seeberger hatte man nie den Eindruck, dass er richtig im Klub angekommen war. Die zuvor schon verunsicherte und spielerisch nicht überzeugende Mannschaft funktionierte unter ihm mehr schlecht als recht. Er fand bis zum Schluss keine Stammelf und wechselte diverse Male kräftig durch. So war nach 13 Spielen mit nur zehn Punkten definitiv Schluss. Mit Dirk Schuster (45) arbeitet nun ein viel versprechender Trainer in Darmstadt. Vor Jahresfrist hievte er die Stuttgarter Kickers mit dem Drittligaaufstieg zurück auf die Deutschlandkarte. Nach einem Negativlauf griffen Mitte November allerdings auch bei den blauen Stuttgartern die Mechanismen des Fußballs und Schuster musste gehen. Schuster gilt als äußerst engagierter und motivierender Trainer. Er hat 2007 den DFB-Fußballlehrer als Jahrgangsbester abgelegt, in einem Kurs, in dem auch Jos Luhukay, Claus-Dieter Wollitz und Milan Sasic saßen. Für den neuen Coach gilt es in erster Linie den Kopf der Kicker freizubekommen. Vor dem Burghausen-Spiel gab er bekannt, dass ihm ein Pressing-orientiertes Spielsystem vorschwebe, da bei frühzeitigem Ballgewinn der Weg zu des Gegners Tor nun mal kürzer sei. Die Fans dürfen gespannt sein, ob der Ball am Böllenfalltor bald wieder rund läuft.

4 … er-Kette Die Lilien investierten in der Winterpause am meisten in ihre Defensivabteilung. Dabei sahen alle Fans vor allem im Sturm den größten Handlungsbedarf. Doch gute und vor allem bezahlbare Angreifer sind rar gesät. Mit Stefan Hickl (24) und Aytac Sulu (27) verstärken fortan zwei Defensivspezialisten den SVD. Beide werden sehr wahrscheinlich fürs Erste zur Stammbelegschaft der Viererkette zählen. Außenverteidiger Hickl bringt aus seiner Zeit beim FSV Frankfurt und den Offenbacher Kickers Zweit- und Drittligaerfahrung mit, war zuletzt aber ohne Verein. Sulu ist im Abwehrzentrum zu Hause. Der Deutsch-Türke aus Heidelberg stieß Anfang Januar aus der zweiten österreichischen Liga nach Darmstadt. Ein vorheriger Abstecher in die Türkei zu Genclerbirligi blieb ohne Happy-End, denn er bestritt lediglich einen Kurzeinsatz in der türkischen Süperlig. Davor und danach gehörte er aber zu den Stützen seiner Vereine, sei es bei Altach in Österreich oder zuvor beim VfR Aalen in der 3. Liga, den er als Kapitän aufs Feld führte. Neben Sulu dürfte Benjamin Gorka (28) in der Innenverteidigung auflaufen. Michael Stegmayer komplettiert auf links die Viererkette. Der 28-jährige Sommerneuzugang, der schon auf elf Erstligaeinsätze beim VfL Wolfsburg zurückblicken kann, hielt bisher allerdings nicht, was sich die Fans von ihm versprachen. Dennoch sollte diese Viererkette in der Lage sein etwas sattelfester zu agieren als ihr Vorgänger.

5 … Auswärtspunkte Die Malaise der Darmstädter liegt auch in ihrer Auswärtsschwäche begründet. Jämmerliche fünf Punkte konnten auf des Gegners Platz errungen werden, darunter auch äußerst schmeichelhafte wie in Aachen oder Halle. Einen Dreier feierten die Lilien in der Fremde noch gar nicht. Immer wieder gab es Spiele, in denen der Mannschaft der Glaube an sich selbst fehlte (z.B. Aachen, Saarbrücken, Karlsruhe). Oft genug ernüchternd für die mitreisenden Fans. Die spielerischen Mittel reichten regelmäßig nicht aus, um dem Heimteam Paroli zu bieten. Da ist es für die Lilien schon ein Hoffnungsschimmer, dass sie 2013 nur noch siebenmal auswärts antreten müssen.

6 … Stürmertore Die Abteilung Attacke der Lilien verbreitete bisher nicht gerade Angst und Schrecken. Lediglich 18 Treffer durften die eigenen Anhänger bejubeln. Nur Babelsberg traf noch seltener, dafür holten die Brandenburger aber sieben Punkte mehr. In acht der 21 Partien erzielten die Lilien gar keinen Treffer. Lediglich sechs Tore entfielen auf nominelle Stürmer (3x Preston Zimmerman, 3x Kacper Tatara). Zwar muss man den Angreifern zugute halten, dass sie allzu oft in der Luft hingen oder sich in Zweikämpfen aufreiben mussten. Dennoch sieht Kaltschnäuzigkeit vor des Gegners Gehäuse definitiv anders aus. Deshalb war es nur folgerichtig mit Freddy Borg (29) eine weitere Sturmspitze ans Böllenfalltor zu lotsen. Die Statistik des Schweden liest sich allerdings auch nicht gerade furchterregend. Für Alemannia Aachen erzielte er in der Hinrunde gerade mal ein müdes Törchen. Das erste Halbjahr 2012 verlief für ihn in Rostock besser. In 14 Zweitligaspielen schoss er fünf Tore und bereitete drei weitere vor. Die Anhänger der 98er werden mindestens eine solche Ausbeute erwarten, eher mehr.

9… Punkte verschenkt Schon in der Vorsaison ging den Lilien in den letzten Minuten eines Spiels oftmals die Konzentration flöten. Folge waren ärgerlich verschenkte Siege und Remis. Und auch im bisherigen Saisonverlauf machten die 98er-Profis am Ende den Sack nicht zu. Geht man alle bisherigen 21 Partien durch, so erzielten die Darmstädter nach der 85. Minute nur einen einzigen Treffer (in Halle), der in Form eines Remis Zählbares einbrachte. Dafür kassierten sie hinten aber sechs Treffer (Burghausen, Wehen, Osnabrück, Dortmund II, Stuttgarter Kickers, Unterhaching) nach der 84. Minute, die gleichbedeutend mit dem Verlust von neun (!) Punkten waren. Mit dann 25 Punkten stünden die Lilien deutlich über dem Strich, so hecheln sie erst einmal hinterher.

10er Vor der Saison kehrte mit Elton da Costa Junior (33) ein klassischer Zehner zu dem Verein zurück, den er 2003 verlassen hatte, um bei Unterhaching und dem FC Augsburg reichlich Zweitligaeinsätze zu sammeln. Von seiner Erfahrung versprachen sich die Verantwortlichen sicher sehr viel für diese Saison. Auch seine Standards sollten ein neues Gefahrenmoment im Lilienspiel heraufbeschwören. Leider ging der Plan bisher überhaupt nicht auf. Das liegt unter anderem daran, dass das vorherige Spielsystem der Lilien gar keinen Spielmacher der alten Schule kannte und so fremdeln da Costa und seine Nebenleute in schöner Regelmäßigkeit auf dem Spielfeld.

11 … Sommertransfers Kosta Runjaic hatte lange Zeit ein glückliches Händchen bei den Neuzugängen. Auch vor dieser Saison holte er elf neue Spieler, die zum Teil von unterklassigen Klubs stammten. Als Verstärkung entpuppte sich leider kaum einer der Neuen. Einzig Benjamin Gorka – mit Abstrichen Hanno Behrens (22) – stach aus der grauen Masse hervor. Der Kader wirkt zu wenig durchschlagskräftig, spielerisch bleibt vieles Stückwerk und es fehlt allen voran ein Führungsspieler, der die anderen mitreist. Zimmermann ist kein Feldspieler, Da Costa ist zu sehr mit sich beschäftigt. Benjamin Baier (24) und allen voran Ex-Juniorennationalspieler Danny Latza (22) hätten das Potential, riefen es bisher aber auch nicht im erwünschten Maße ab. So hatte es der glücklose Seeberger auch der suboptimalen Einkaufspolitik seines Vorgängers zu verdanken, dass es einfach nicht laufen sollte.

25 … Punkte müssen noch her Die eingleisige 3. Liga besteht seit der Saison 2008/09. In den bisherigen Spielzeiten reichten immer 41 Punkte zum Klassenerhalt. Das bedeutet, die Lilien benötigen noch satte 25 Zähler aus den verbleibenden 17 Spielen, um einigermaßen sicher in der Liga zu bleiben. Ansonsten bleibt nur noch die Hoffnung darauf, dass einige Vereine die Klasse aus wirtschaftlichen Gründen nicht halten können, doch wer will das schon. Seit 2009 mussten drei Vereine ihr Team am Ende der Saison zurückziehen (Kickers Emden, RW Ahlen, TuS Koblenz) und mit der Alemannia aus Aachen scheint tatsächlich der erste Absteiger aufgrund des im November 2012 eröffneten Insolvenzverfahrens festzustehen. Die Tatsache, dass der Tivoli-Klub wegen seiner finanziellen Schieflage keine Verpflichtungen tätigen durfte spricht Bände.

6.000 … Zuschauer Die Kicker des SV 98 wissen immer noch eine treue Fangemeinde hinter sich. Knapp 6.000 Fans kamen im Schnitt ins Böllenfalltor. Damit rangiert der hessische Traditionsverein in der Zuschauergunst laut 3-liga.com auf Platz 10 der 20er Liga. In den letzten Spielen des Jahres 2012 war allerdings ein spürbarer Zuschauerschwund festzustellen, und der dürfte nicht nur am Herbstwetter gelegen haben. Doch wenn es hart auf hart kommt, mobilisieren Fan und Verein gemeinsam ihre Kräfte, wie 2009 bei der beeindruckend abgewendeten Insolvenz. Und auch heute übt der Verein wieder den Schulterschluss mit seinen Anhängern. Auf der Startseite der Lilien-Homepage ziehen Spieler, Trainer und Fans unter dem Motto „Drinbleiben! Darmstadt kämpft!“ an einem Strang. Dass die Lilienfans auch ein feines Gespür für Ironie besitzen, zeigten „Milton Fisher“ Ende der 1990er. Die Lilien dümpelten erstmals seit Menschengedenken in der Viertklassigkeit herum, als die Darmstädter Band einen äußerst schmissigen Song mit hohem Mitgrölpotential aufnahm. Skurriler Gegenstand des Liedes: Der Einzug der Lilien in den Europapokal! Mit einer weiteren Zugehörigkeit zur 3. Liga wäre den meisten Fans allerdings auch schon geholfen.