Spieltag 34 (#bmgd98): „Im Pokal ist ein kleiner Traum zerplatzt“

Der Bundesligaabschied liegt nur noch 90 Spielminuten entfernt. Zwei aufregende Jahre im Oberhaus liegen hinter den Lilien und ihren Fans. Dem erstaunlichen Klassenerhalt 2015/16, folgte eine sportlich suboptimale Spielzeit. Erst gegen Saisonende stabilisierte sich das Team unter Torsten Frings und holte wohltuende Siege. Zum dritten Mal in den vier Bundesligaspielzeiten der Lilien heißt der Gegner am letzten Spieltag Borussia Mönchengladbach. Ob es die dritte Niederlage setzt? Hannah von FOHLEN HAUTNAH blickt mit mir zurück auf die Spielzeit der Borussia.

So sieht’s aus:

Die Stimmung beim 0:2 am vergangenen Wochenende gegen Hertha BSC war grandios. Mit Benni Gorka und Dominik Stroh-Engel wurden vor der Partie zwei ebenso langjährige wie verdiente Spieler würdig verabschiedet. Daneben holte sich eine Reihe weiterer Spieler ihren Applaus ab, die nach nur einer Spielzeit nicht mehr weiter die Lilie tragen. Kurz vor dem Anpfiff öffneten sich auf der Gegengeraden hunderte Regenschirme, um der DFL eine ganz eigene Antwort auf die fehlende Überdachung am Bölle zu geben. Während und nach der Partie blieb die Atmosphäre auf festlichem Bundesliganiveau, wovon selbst Gäste-Coach Pal Dardai schwärmte.

Nicht ganz auf der Höhe des Geschehens präsentierten sich die 98er leider in der ersten Hälfte. Die Hertha ließ sich überhaupt nicht anmerken, dass sie auswärts zuvor neun Pleiten nacheinander kassiert hatte.  Sie trat fokussiert auf, lief die Defensive sehr früh an und unterband so vom Start weg einen strukturieren Spielaufbau. Selbst spielte sie zielstrebig und schnörkellos nach vorne, wodurch sie das Heimteam regelmäßig in Verlegenheit brachte. Kurzum: Die Hertha zeigten sich bestens eingestellt auf die Spielweise des Teams von Torsten Frings.

Bei den Lilien fiel ins Gewicht, dass einige Spieler ihre zuletzt gezeigten Leistungen nicht durchweg abrufen konnten. Wilson Kamavuaka, Sandro Sirigu, Jan Rosenthal oder auch Jerome Gondorf streuten immer wieder Fehler in ihr Spiel ein. Laufwege der Mitspieler wurden zu spät erkannt oder falsch interpretiert. Häufig gingen Pässe komplett ins Leere oder wurden den sehr aufmerksamen Berlinern in die Beine gespielt. Das Team war schlichtweg nicht in der Lage eine passende Antwort zu geben.

Erst in Halbzeit zwei fingen sich die 98er und zogen ein besseres Spiel auf. Prompt ergaben sich einige Chancen. Letztlich blieben die Berliner aber abgezockt genug, um nicht ernsthaft in Gefahr zu geraten. Ein Sonderlob verdiente sich beim SVD Hamit Altintop. Was der „Junge“ läuft, den Ball behauptet, Pässe spielt und fightet, ist schlichtweg überragend. Immer wieder gab es Szenenapplaus und „Altintop“-Sprechchöre für seine Leistung. Ein Verbleib des ehemaligen türkischen Nationalspielers am Bölle wäre in dieser Verfassung wie ein Sechser im Lotto. Auch Fabian Holland wusste erneut zu überzeugen. Aufgrund eines Routineeingriffs am Herzen, wird er im letzten Saisonspiel bei Mönchengladbach allerdings fehlen.

Derweil kommt das „unfreiwillige“ Personalkarussell so langsam in Fahrt. „Jego“ Gondorf wechselt nach vier Jahren zu Werder. Seine Entwicklung am Bölle war grandios. Er war von Liga 3 bis 1 immer ein Leistungsträger, so dass er sich den Bundesliga-Verbleib redlich verdient. Mit ihm geht aber zugleich ein Stück Lilien-DNA. Womöglich folgt Aytac Sulu seinem Beispiel. Die Spatzen pfeifen von den Dächern, er kehre zu seinem ersten Profiverein nach Hoffenheim zurück. Da würde sich für den Heidelberger ein Kreis schließen. Ihm wäre es zu gönnen, seine Spätstarter-Karriere bei einem Champions-League-Teilnehmer fortzusetzen. Für den SVD und seine Fans wäre der Weggang von Captain Sulu gleichwohl nicht so leicht zu verdauen. Keeper Michael Esser scheint sich derweil mit Aufsteiger Hannover einig zu sein. Der verdiente Lohn für eine herausragende Spielzeit. Mit Daniel Heuer-Fernandes steht immerhin ein Ersatz parat, der schon bewiesen hat, was er kann. Mal schauen, wer noch so alles auf gepackten Koffern sitzt.


Die aktuelle Prise Lilien-Podcast:

Am Montag hatten wir wieder mal einen Gast in unserer guten Stube. Marc (@jungerherr1892) sprach mit uns über das Gastspiel seiner Hertha am Bölle. Als wir uns über mögliche Ab- und Zugänge unterhielten, wollte er uns tatsächlich Alexander Baumjohann andrehen. Nun gut, wir nehmen vielleicht viele, aber doch nicht jeden. 😉 (KLICK)


Der Kontrahent hat das Wort:

Hannah schreibt für das Online-Fanzine Fohlen-Hautnah (KLICK), das sich ausgiebig mit der Borussia vom Niederrhein befasst.

Hannah, was schmerzt in dieser Saison mehr? Die durchwachsene Bundesliga-Saison, das Aus in der Europa League gegen Schalke oder das Scheitern im DFB-Pokal gegen Frankfurt?
Definitiv das Pokalaus gegen Frankfurt. Das Ausscheiden gegen Schalke war schon bitter genug – keines der beiden Spiele ging verloren und dann gab es diese verrückten Gegentore im Rückspiel. Trotzdem wusste man nach dem Spiel, dass es eben noch einen anderen Pokalwettbewerb gibt, in dem man die Chance auf ein Finale hat. Denn, wenn wir ganz ehrlich sind, hätte es in der Europa League noch weitere vier perfekte Spiele gebraucht, um überhaupt an einen Titel denken zu können. So lag dann die volle Konzentration auf dem DFB-Pokal, in dem wir ein Heimspiel gegen einen Gegner auf Augenhöhe hatten. In der Verlängerung hatten die Frankfurter nichts mehr entgegenzusetzen und wir waren drauf und dran das entscheidende Tor zu erzielen – der berühmte „letzte Pass“ hat gefehlt. Als wir dann den ersten Elfer verschossen haben, dachten alle, dass es das jetzt gewesen sei. Dann hält Yann Sommer den Ball und dann dachten alle wieder, dass wir es jetzt erzwingen würden. Falsch gedacht, denn wieder landete der Ball nicht im Tor. Der Stachel sitzt tief. Viele Fans haben ja noch nie ein Endspiel mit Borussia erlebt. Von daher kann man schon sagen, dass da ein kleiner Traum zerplatzt ist. In der Bundesliga wurde uns die Chance auf einen Europapokalplatz noch in den letzten beiden Spielen auf dem Silbertablett serviert. Mit zwei Punkten gegen Augsburg und Wolfsburg konnten wir leider keinen Sprung nach vorne machen und dann ist man am Ende selbst schuld – und eine Saison ohne Europa ist für Borussia meiner Meinung nach kein Beinbruch.

In der Rückrunde hat sich die Borussia spürbar gefangen und deutlich mehr Punkte eingefahren als unter André Schubert. Außer gegen die Spitzenteams punktete sie sehr zuverlässig. Was hat Dieter Hecking konkret geändert beziehungsweise bewirkt?
André Schubert hat vor allem gegen Ende seiner Amtszeit nach jedem Spiel die Aufstellung und die Taktik über den Haufen geworfen. Zu Beginn seiner Zeit war die Rotation sein großer Trumpf, aber als es dann nicht mehr lief, fand er wochenlang nicht die richtigen Lösungen. Hecking hat dann ziemlich schnell seine Stammelf gefunden. Das erste Spiel unter ihm bestritt die Mannschaft ja sogar in Darmstadt. Das 0:0 konnte noch keiner so richtig einordnen – aber hey, endlich wieder ein Auswärtspunkt. Eine Woche später ging es dann nach Leverkusen, wo die Mannschaft, die in der Hinrunde als „Auswärtsdeppen“ bezeichnet werden konnte, einen 2:0 Rückstand in ein 2:3 ummünzte. Das muss Balsam für die Seele gewesen sein, auch für die Fans. Das gab enormes Selbstvertrauen. Ähnliches passierte dann wenige Wochen später in Florenz und spätestens da wusste man, dass sich Mannschaft und Trainer endlich gefunden hatten.

Ich war beim 3:5 in Hoffenheim. Das Spiel hätte nach der Pause auch in die andere Richtung kippen können. Das Verhältnis zwischen Offensive und Defensive wirkte allerdings nicht ausbalanciert. Hinten setzte es zudem zu viele Fehler. Sind das Probleme, die auch Hecking nicht vollständig abstellen konnte?
Da hast Du vollkommen recht. Das Umschaltspiel ist nach wie vor so eine Sache. Nach Ballverlust entstehen oft große Lücken. Unser Offensivspiel lebt vor allem vom Spiel über die Flügel, bei dem die Außenverteidiger mit aufrücken und die Vorderleute immer wieder hinterlaufen. Geht der Ball dann im Kombinationsspiel verloren, fehlt hinten die Grundordnung. Und vorne konnten wir unsere Spitze häufig nicht mit brauchbaren Bällen „füttern“.

Was auffällt, sind die zahlreichen Leistungsträger, die seit geraumer Zeit immer wieder länger verletzt ausfallen. Eine weitere Ursache für den unrunden Saisonverlauf?
Jetzt erinnerst Du mich natürlich wieder an unser Pokalaus. Aber ja, leider ist das nicht von der Hand zu weisen. Gerade in den entscheidenden Spielen, wie zum Beispiel gegen Frankfurt, hätten Spieler wie Raffael, Johnson oder Hazard in der Nachspielzeit zum Matchwinner werden können. Dass gleichzeitig dann auch noch Leader wie Tony Jantschke, Chris Kramer und Patrick Herrmann fehlen beziehungsweise noch nicht wieder zu 100% fit sind, lässt sich dann nicht mehr kompensieren. Und wenn ein Spieler wie Josip Drmic jetzt sogar um seine Karriere bangen muss, dann kann einem für den Jungen nur leidtun.

Welcher Spieler hat dich in der zurückliegenden Spielzeit am meisten überzeugt? Wer hat dich am meisten enttäuscht?
Man kann dieses Jahr ja fast keinen von den Leistungsträgern richtig beurteilen, weil gefühlt jeder irgendwann mal für ein paar Wochen ausgefallen ist. Yann Sommer wurde gerade unter Hecking mehr und mehr zum Rückhalt und hat uns den ein oder anderen Punkt gesichert. Lars Stindl spielt seine zweite Saison bei uns und wie er als Kapitän vorangeht und alle mitziehen kann, ist schon sehr beeindruckend. Ganz nebenbei ist er unser zuverlässigster Scorer. Julian Korb spielt unter Hecking überhaupt keine Rolle mehr. Bei ihm rechne ich mit einem Abgang, was ich sehr schade finde, schließlich ist er ein Eigengewächs.

Die zerstörte Choreo vor dem Eintracht-Spiel sorgte deutschlandweit für Schlagzeilen. Was genau fiel vor und wie hat sich das Verhältnis zwischen den organisierten Fans und dem Verein seither entwickelt?
Schon wieder streust Du Salz in die Wunde und sprichst dieses Spiel an … Samstagabend war das Spiel gegen Dortmund und dienstags stand schon das Pokalspiel auf dem Programm. Wenig Zeit also, um eine Choreo im Stadion auszubreiten. Die Ultras wollten dafür vor allem den freien Sonntag nutzen. Das wurde aber nicht richtig kommuniziert, sodass die Firma, die am Montag das Stadion und die Nordkurve reinigte, nichts davon wusste und die riesige Blockfahne unbrauchbar machte, weil sie wohl dachten, es sei Müll. Und so nahm das Unheil seinen Lauf. Ich persönlich frage mich, warum man während der Reinigung nicht stutzig wird, wenn man da auf einmal viel mehr „Müll“ vorfindet als sonst. Seitdem verzichten die Ultras auf den organisierten Support. Sie sind zwar im Stadion anwesend, aber ohne Vorsänger, Fahnen etc. Im Spiel gegen Frankfurt gab es das noch, weil jeder wusste, wie wichtig die Partie ist.
Laut Borussia kommt man für den entstandenen Schaden auf, schließlich kostet so eine Choreo mehrere Tausend Euro, die durch Spenden der eigenen Fans finanziert werden. In den Gesprächen zwischen Verein und den organsierten Fans, ist man wohl noch auf keinen gemeinsamen Nenner gekommen. Bei den Fans ärgert man sich vor allem deshalb so sehr, weil immer wieder Kleinigkeiten vorgefallen sind. Auch die Choreo im EL-Spiel gegen Schalke wurde vom Verein nicht abgesegnet, was vielen Anhängern schon damals sauer aufgestoßen ist. Letztlich hoffe ich, dass man in der Sommerpause wieder zusammen in eine Richtung blickt.
Von vielen Seiten hört man, dass die Ultras sich bloß nicht zu wichtig nehmen sollten. Das ist mir zu einfach und man sieht ja, dass die Stimmung ohne einen organsierten Support leidet. Und am Ende des Tages ist jeder Borusse stolz, wenn er sich die Bilder von den tollen Choreos ansieht, für die die Gladbacher bekannt sind – und genau darum machen sich Leute wie die Ultras wochenlang Gedanken.

Ihr verabschiedet die Lilien am Wochenende aus der Bundesliga. Wie beurteilst Du die zurückliegende SVD-Spielzeit aus der Ferne?
Ich weiß, das werdet ihr in diesen Tagen sehr oft hören und es hilft auch nichts … aber erst einmal möchte ich Dir sagen, wie schade ich es finde, dass es nicht für den Klassenerhalt gereicht hat. Das kleine Darmstadt und die große Bundesliga – das passt eigentlich ganz und gar nicht und trotzdem hat es prima harmoniert. Auch die Regenschirm-Choreo am Wochenende: Weltklasse! Das meine ich vollkommen ernst, genau mein Humor. Von außen betrachtet überrascht mich der Abstieg nicht. Rein sportlich gesehen fehlt es an Qualität. Man hat keinen Knipser, der mit seinen Toren drei bis vier Spiele in der Saison alleine entscheidet und damit ordentlich Punkte bringt – so wie Sandro Wagner es gerne gemacht hat. Trotzdem sieht man vor allem in den letzten Wochen, wie viel Herz in der Mannschaft steckt. Oder wenn ich mir nur Bilder vom Böllenfalltor anschaue. Wie auf der Gegentribüne fast alle Leute stehen – das ist Wahnsinn! Das Stadion ist für mich pure Nostalgie. Mir graut es davor, wenn wir irgendwann nur noch hypermoderne Arenen in der Bundesliga haben werden. Mit Torsten Frings habt ihr einen guten Mann an der Seite, der den Weg in die 2. Liga mitgehen wird. Ich hoffe, dass einige Spieler trotz Abstieg gehalten werden können und sich vielleicht zwei bis drei junge Talente anlocken lassen, um nächste Saison direkt wieder oben anzugreifen.

Die Lilien mussten schon einmal an einem 34. Bundesliga-Spieltag nach Gladbach. 1982 verloren sie 6:1. Die Borussia sicherte sich damals Platz 7. Ein Ziel, das auch am Samstag angepeilt wird. Wie wird das Spiel am Samstag aussehen?
Es werden viele Tore fallen, da bin ich mir sehr sicher. Ihr werdet alles reinwerfen und das letzte Bundesligaspiel nochmal richtig genießen und vermutlich auch sehr frech und offensiv spielen – es gibt ja nichts mehr zu verlieren. Trotzdem tippe ich auf ein 4:2 für uns, auch wenn das am Ende leider nicht mehr für Platz 7 reichen wird.

Besten Dank für das ausführliche Gespräch, Hannah.
Danke Dir, Matthias! 🙂


An diesem Wochenende vor vier Jahren:

Kam es am Bölle zum Herzschlagfinale. Die 98er trafen im Abstiegsendspiel der 3. Liga auf die Stuttgarter Kickers. Alles war angerichtet: Volles Haus, geiles Wetter, Zuversicht pur. Und dann kommt nach 11 Minuten ein gewisser Kevin Dicklhuber daher und schießt die Kickers mit 1:0 in Führung. Kurz vor der Halbzeit setzten die Lilien zu einem Sturmlauf an, der Ausgleich blieb aber aus. Auch in der Viertelstunde nach der Pause das gleiche Bild. Zum Schluss holten die 98er die Brechstange raus. Elton da Costa traf erst den Pfosten, dann zum Ausgleich. Aytac Sulu sollte im Sturmzentrum den notwendigen Siegtreffer erzwingen, traf aber leider nur die Latte. Auf der Gegenseite klatschte ein Weitschuss ebenfalls an die Latte. Mit dem Abpfiff ging jeder davon aus, dass sich die Lilien wieder von der Fußball-Landkarte Deutschlands verabschiedet hatten. Doch zwei Wochen später öffnete Offenbachs Lizenzentzug die Tür zum Drittligaverbleib. Alles was seither folgte, war eine permanente Ausschüttung  von Glückshormonen!

Das SVD-Team beim 1:1 gegen die Stuttgarter Kickers:
Zimmermann(C) – Hickl, Sulu, Gorka, Stegmayer – Latza, Behrens (72. Da Costa (1) ), Hesse (85. Hübner), Zielinsky (59. Tatara) – Steegmann, Zimmerman
Zuschauer: 13.600

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